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Burgenblogger Moritz Meyer interviewt Koblenzer OB Hofmann-Göttig zu „BuGa und Welterbe“, 15./17. Juli 2016 Quelle Link: www.burgenblogger.de

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Teil I: Von Buga zu Buga

Herr Hofmann-Göttig, ich will etwas machen, was man als Journalist eigentlich nicht machen soll und übers Wetter sprechen. Aber dieses Jahr stand sehr im Zeichen wetterbedingt abgesagter Veranstaltungen, von Rosenmontag über Tal toTal bis zum Münzlauf. Was bedeutet das aus ihrer Sicht für kommende Großveranstaltungen in der Region?
Risikofrei planen kann man es nie. Aber in diesem Jahr haben wir schon eine besondere Häufung. In meiner sechsjährigen Amtszeit als OB hat es noch nie eine Absage einer Großveranstaltung gegeben, in diesem Jahr gleich zwei mit dem Rosenmontagszug und dem Münzlauf. Das reicht mir jetzt. Auch für die Veranstalter ist das ein Riesenproblem, denn da geht es ja, wie bei Rock am Ring, um sehr viel Geld. Auch beim Münzlauf hat der Veranstalter einen Schaden von 350.000 Euro geltend gemacht. Das darf ihm nur einmal in zehn Jahren passieren. Auch insofern muss man weiter sehr sorgsam mit Absagen umgehen. Klar ist aber: Sicherheit geht immer vor.

Die Region lebt gerade in den Sommermonaten von diesen Veranstaltungen, vom “draußen sein”. Sehen Sie da eine Gefahr für die Attraktivität?
Ich bin vom Grundsatz her ein optimistischer Mensch. Nur weil einmal ein schlechtes Jahr war, jammere ich nicht, dass wir nun immer Pech haben werden. Gucken wir mal, wie “Rhein in Flammen” läuft. Das ist eine Veranstaltung mit fast 200.000 Leuten. Wenn die gut geht, haben wir wieder was gestemmt.

Dass Koblenz derzeit touristisch gut da steht, habe ich bei meinen Recherchen bereits gelesen. Im Gegensatz zu vielen Orten weiter südlich im Tal können Sie sich entspannt zurücklehnen, oder?
Nein, natürlich nicht. Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich so viele Übernachtungen wie im Bugajahr haben. Aber wir müssen weiterarbeiten. Wenn ich die Festung besuche, erlebe ich, welche Rolle die Seilbahn spielt. Das quillt da selbst an einem Werktag über vor Besuchern. Wenn wir die Seilbahn nicht hätten, würde die Festung wieder ein Schattendasein führen wie in den 90er Jahren. Deswegen muss die über 2026 erhalten bleiben. Das ist auch für das Projekt “Buga 2031” wichtig.

Koblenz hat von der Bundesgartenschau wahnsinnig profitiert. Glauben sie, dass man das ganze Tal genau so beleben kann wie die Stadt?
Nicht genauso. Aber anders. Man braucht dafür ein Konzept, das auf Nachhaltigkeit setzt. Natürlich muss ein halbes Jahr besonders was los sein. Aber es darf danach nicht zusammenbrechen. Für die Bevölkerung muss eine Weiterentwicklung spürbar sein. Das schließt Arbeitsplätze mit ein, aber auch eine Rheinquerung und vor allem: Schutz vor Lärm. Damit müssen wir bis zur Buga 2031 weiterkommen. Niemand will da wohnen, wo nachts die Wände wackeln und man kaum Ruhe findet. Wenn wir da nicht vorankommen, dann wird es für Orte wie St. Goarshausen oder Stolzenfels eine existenzielle Frage.

Buga 2031 ist ja noch ein bisschen hin: Welche Zwischenziele müssen erreicht werden, damit die Region entscheidend vorankommt?
Es werden schon in den nächsten ein bis zwei Jahren entscheidende Schritte zu gehen sein. Die Machbarkeitsstudie muss vorliegen. Wir brauchen flächendeckende Diskussionen in den Gemeinderäten, alle müssen zustimmen. Wir brauchen ein Infrastrukturprogramm. Wir müssen mit dem Land die Finanzierung aushandeln. Da ist also viel zu tun, damit der Antrag bis Ende nächsten Jahres gestellt werden kann. Und dann ist angesichts der großen Investitionen, die damit verbunden sein werden, ein Vorlauf von zehn Jahren gar nicht so groß. Bis 2031 ist genug zu tun. Und dann müssen wir den Erfolg einfahren.

Sie kennen das Tal ja sehr gut aus früheren Zeiten als Kulturstaatssekretär.
Ich kenne es und ich liebe es, nicht nur weil ich für das Anerkennungsverfahren zuständig war. Ich habe dort mehrere Wanderurlaube verbracht. Wenn sie mich nachts um halb drei wecken und sagen “Mittelrheintal”, dann bin ich sofort da. Ich fühle mich als Oberbürgermeister nicht als Kirchturmspolitiker für die Stadtgrenzen, sondern sehe die Verantwortung des Oberzentrums für die ganze Region.

Dann sagen Sie mal: Was läuft gut, was läuft nicht gut aus Ihrer Sicht?
Was gut läuft, ist ohne Frage der Wandertourismus. Rheinsteig und Rheinburgenweg sind sehr erfolgreich. Auch der Fahrradtourismus kommt voran. Ich sehe auch eine positive Entwicklung im Bereich Hotelerie und Gastronomie. Die ist noch nicht am Ende, aber sie ist positiv. Aber ich mache mir natürlich Sorgen, wenn ich sehe, wie so tolle Örtchen wie Sankt Goarshausen drohen auszubluten. Deswegen sage ich auch ganz freimütig: Wenn wir das Thema Brücke nicht hinkriegen, werden viele Ortschaften kaum eine Chance haben.

Glauben sie, dass man diesen Wandel aufhalten kann? Die Gesellschaft wird immer älter und junge Menschen zieht es eben in die Metropolregionen.
Das muss man differenziert sehen. Die demographische Entwicklung ist so wie sie ist. Aber in Koblenz haben wir trotz allem wachsende Bevölkerungszahlen und sind jetzt bei 113.000 Einwohnern.

Aber das sind doch auch Menschen, die vom Mittelrhein in die große Stadt ziehen.
Die Wanderungsgewinne, die wir im Moment machen, kommen nicht aus dem Umland, da haben wir eher Verluste. Arbeitsplätze, eine gute Infrastruktur bei Gesundheit und Bildung, das alles spricht natürlich für die Großstadt. Auf der anderen Seite ist der Wohnungsmarkt in einer Großstadt sehr angespannt. Zwar wohnen sie in Koblenz noch günstiger als etwa in Mainz, aber es wird teurer. Diejenigen, die bereit sind, etwas zu pendeln, können am Mittelrhein, im Westerwald oder in der Eifel erheblich günstiger wohnen. Da hängt es von Details ab: Gehe ich ins Mittelrheintal, wo es schön ist, aber laut? Oder gehe ich in den Westerwald, wo es ruhig und auch schön grün ist? Da gewinnt im Moment eher der Westerwald, um es mal auf die Faustformel zu bringen. Deswegen ist für mich der Bahnlärm ein ganz wesentlicher Störfaktor. Aber Chancen sehe ich.

Teil II: So funktioniert das Welterbe

In welcher Rolle sehen sie die Stadt Koblenz im Welterbegebiet?
Wir sind als nördliches Eingangstor und Oberzentrum Ausgangs- und Endpunkt vieler Reisender. Wenn sie an einem beliebigen Tag ans Rheinufer gehen, dann sehen sie da jede Menge Schiffe, viele Menschen, die für ein paar Stunden in Koblenz sind. Das Kunststück, das wir zu bringen haben, ist, dass die Menschen nicht zufrieden sein sollen mit den zwei Stunden, sondern wiederkommen sollen. Und je nachdem wie lange sie bleiben, erleben sie auch andere Teile der Region.

Gut, dann kommen die Touristen nach Koblenz, machen mal nett eine Schiffchenfahrt ins Tal, aber kehren zum Übernachten wieder zurück. Das heißt, einen Großteil ihres Geldes lassen sie hier. Die Menschen in St. Goar oder Oberwesel oder Boppard profitieren nicht davon, die brauchen die Übernachtungen direkt im Tal.
Das mag so sein. Aber wir ketten die Menschen hier ja nicht an. Wandertouristen, die hier ankommen und zu Mehrtagestouren aufbrechen, übernachten auch im Tal. Das habe ich selbst auch schon so gemacht. Und die Region braucht die Strahlkraft des Oberzentrums. Die Leute wollen die Vielfalt kultureller Angebote, die wollen Einkaufen gehen. Das ist eine Chance für die Region.

Brauchen sie denn umgekehrt das Welterbe? Sie kommen doch gut ohne zu Recht.
Diese Meinung haben viele. Wenn wir heute die Bürger befragen, ob wir den Titel behalten wollen, könnte es durchaus knapp werden. Viele würde wohl sagen: Ist uns egal. Man darf den Bogen deswegen nicht überspannen. Hätte die Unesco uns tatsächlich mit der Aberkennung des Titels gedroht, wenn wir die Seilbahn behalten, und die Leute hätten sich entscheiden müssen zwischen Seilbahn oder Welterbetitel, hätten die meisten gesagt: Dann nehmen wir die Seilbahn. Wenn die Bevölkerung den Eindruck hat, mit dem Welterbe sind nur Restriktionen verbunden, und das sind Spielverderber, die jegliche Entwicklung kaputt machen, dann geht die Akzeptanz für den Titel verloren.

Was ich nicht verstehe, ist die Unesco-Bürokratie. Länder wie Senegal oder Kolumbien entscheiden darüber, ob wir eine Brücke, eine Seilbahn oder ein Altenheim ins Welterbegebiet bauen dürfen. Sie haben das selbst erlebt und können mir vielleicht erklären: Wie tickt diese Organisation?
Ich habe zweimal an einer Welterbesitzung teilgenommen, in Budapest und Sevilla. Sagen wir mal so: Ich habe schon funktionsfähigere Administrationen kennengelernt als das Welterbekomittee. Aber man muss auch sagen: Die verwalten etwas, was nicht so im greifbaren Bereich liegt. Wir reden von Kulturschätzen. Und ob die jetzt mit so einem Titel zu belegen sind oder nicht, ist schwer zu objektivieren. Und darum lässt man sich beraten von Fachorganen wie Icomos, dem Internationalen Rat für Denkmalpflege. Grundsätzlich macht der sich stark für eine Bewahrung von Denkmälern. Öffentliche Nutzung wird dort kritisch – in meinen Augen oft zu kritisch – hinterfragt.

Was ist Ihr Standpunkt?
Öffentliche Mittel zur Erhaltung der Burgen kann man nur akquirieren, wenn man der Öffentlichkeit etwas zurück gibt. Wir hatten damals beim Antragsverfahren das große Glück, dass wir es mit einem Gutachter zu tun hatten, der uns sehr nahe stand. Das war Robert de Jong, der Landeskonservator der Niederlande, die Denkmalpflege auf höchstem Niveau haben. Und deswegen vergesse ich nie seine erste Frage, als wir mit ihm unterwegs waren: “Was haben sie für ein Marketingkonzept, damit die Menschen auch wirklich kommen?” Damit habe ich nicht gerechnet: Ich dachte, man müsste sich verschämt dazu bekennen, dass man mit dem Welterbetitel auch Touristen anlocken will. Er sah es genau andersherum. Das hat mir gefallen. Er hat natürlich auch Schwächen gesehen. Aber ihm ging es darum, den Titel an eine Region zu vergeben, die dann auch was daraus macht.

Ist es der Region denn gelungen, was daraus zu machen?
Ich finde schon. Ich bin keiner, der sagt: Was nicht 100 Prozent ist, ist gar nix. Wenn ich sehe, es haben sich zehn Prozent verbessert, dann sage ich: Es ist besser geworden. Und im Mittelrheintal ist es sicher mehr. Die Zusammengehörigkeit hat sich in den 14 Jahren verstärkt, auch weil es den Zweckverband Mittelrhein und andere Initiativen und Organisationen gibt. Und jetzt sind wir wieder beim Thema Buga: Die wäre völlig undenkbar, wenn wir den Zusammenhalt nicht über den Zweckverband organisieren könnten. Das wäre ohne den Welterbetitel schlicht illusionär. Wir haben auch von Fördermitteln des Bundes profitiert, die es vorher nicht gegeben hat. Es ist also auch Geld in die Region geflossen. Aber viel wichtiger ist: Es hat sich Stolz auf diese Landschaft entwickelt.

Aber so ganz ist man nicht da, wo man eigentlich sein will.
Nein, das habe ich ja auch gesagt. Aber die einen diskutieren über das halbvolle und die anderen über das halbleere Glas. Selbst wenn sich nur zehn oder zwanzig Prozent verbessert haben, ist das immer noch besser als Stillstand oder Rückschritt. Hundert Prozent haben wir sicher nicht, keine Frage. Aber wir haben uns auf den Weg gemacht.

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