13 Mai
Kundgebung Justizstandort Koblenz 13. Mai 2011: Rede von OB Hofmann-Göttig
Posted in Reden/audio u. print JoHo by joho Keine KommentareKundgebung Justizstandort Koblenz 13. Mai 2011
E S GILT DAS GESPROCHENE WORT
Rede
Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig
Oberbürgermeister der Stadt Koblenz
” Im Namen der Stadt Koblenz erhebe ich Einspruch gegen genau einen Satz in der Koalitionsvereinbarung mit Bezug auf das Oberlandesgericht Koblenz und die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz.
Der zu beanstandende Satz lautet: „Wir werden diese mit Sitz in Zweibrücken zusammenführen.“
Diesen Einspruch erkläre ich nicht nur im eigenen Namen als von der Koblenzer Bürgerschaft mit großer Mehrheit gewählter Repräsentant dieser Stadt.
Sondern ich schließe den gesamten Stadtvorstand ein.
Und ich schließe – gestützt auf die bisherigen Beratungen im Ältestenrat – ebenfalls ein den Koblenzer Stadtrat mit sieben politischen Gruppierungen in sechs Fraktionen.
Ich gehe davon aus, dass der Stadtrat am kommenden Donnerstag diesen Protest mit sehr großer Mehrheit, vielleicht sogar einmütig auf der Basis einer Vorlage des Stadtvorstandes beschließen wird.
Und ich schließe in diesen Einspruch ausdrücklich mit ein die Kolleginnen und Kollegen Oberbürgermeister und Landräte der Region, die dies bereits öffentlich zum Ausdruck gebracht haben.
Um es deutlich und klar zu sagen:
Ich bin kein politischer Gegner der rot-grünen Landesregierung, erst recht nicht dieses Ministerpräsidenten. Im Gegenteil. Vieles in der Koalitionsvereinbarung findet meine ausdrückliche Unterstützung. Es geht ausschließlich um genau den zitierten Sachverhalt und um nichts anderes.
Es besteht auch für mich kein Zweifel daran, dass gespart werden muss, und zwar überall.
In allen Gebietskörperschaften, also auch im Land.
In allen Politikbereichen, also auch in der Justiz.
Mit Wirkungen in allen Städten und Regionen, also auch in Koblenz.
Es geht mir nicht um das Prinzip des Heiligen St. Florian:
„Heiliger Sankt Florian / Verschon mein Haus / Zünd andre an!“
Mir ist die Tatsache bewusst, dass Koblenz wirtschaftlich stark ist und bleibt.
Mir ist bewusst, dass Koblenz ein starker Justizstandort ist und bleibt.
Mir ist bewusst, dass all dies für Zweibrücken nicht gilt. Wenn die Landesregierung ein „Strukturprogramm Westpfalz“ auflegen würde, müsste ich das akzeptieren, selbst wenn dies ein Stück weit auch zulasten der Stadt Koblenz ginge.
Ich muss sogar zugestehen, dass es im Vergleich zu anderen Bundesländern zahlenmäßige Argumente für ein Oberlandesgericht und eine Generalstaatsanwaltschaft Rheinland-Pfalz gibt.
Das alles will ich zur Vermeidung von Missverständnissen meines Einspruchs ausdrücklich klarstellen.
Die Autoren und Befürworter der Koalitionsvereinbarung ihrerseits müssten allerdings zugestehen, dass Zentralisierungen von Dienstleistungseinrichtungen zwangsläufig mit Verlust der Erreichbarkeit in einem Flächenland verbunden sind. Mit einem Verlust von Bürgernähe.
Nun könnte damit argumentiert werden: Dieser Preis ist zu bezahlen, wenn gespart werden soll.
Denn man kann nicht gleichzeitig über zu hohe Staatsverschuldung klagen und gleichzeitig wirksames Sparen verhindern.
Diesem Einwand könnte ich freilich nur dann folgen, wenn der Nachweis geführt würde, dass mit der verkündeten Zentralisierung in Zweibrücken tatsächlich wirksame Einsparungen erzielt würden. Und genau dieser These der Koalitionsvereinbarung widerspreche ich. Ich bezweifele, dass mit dem verkündeten Vorhaben tatsächlich Einsparungen erzielt werden.
Zumindest ist die Spar-Hypothese bisher völlig unbegründet geblieben. Niemand hat bisher eine sauber saldierte Rechnung vorgelegt. Saldierte Rechnung bedeutet: Die Einsparung z.B. eines Präsidentenamtes muss mit den Mehrkosten an anderer Stelle gegengerechnet werden.
Ich behaupte entschieden, gestützt auf meine mittlerweile 36 jährige Erfahrung in der politischen Verwaltung: Die Umsetzung der Zentralisierung bringt nur Bürgerferne. Und sie wird teuer.
Denn wir haben es bei den vereinbarten Zentralisierungen mit dem seltenen Vorgang zu tun, dass nicht das „Kleine zum Großen“, sondern das „Große zum Kleinen“ kommen soll. In Koblenz werden deutlich mehr Fälle bearbeitet – arbeiten deutlich mehr Beschäftigte als in Zweibrücken.
Da ja keine Personalentlassungen beabsichtigt sind, wie wir bisher hören können, sind also für die Landesdiener des Oberlandesgerichts und der Generalstaatsanwaltschaft Umzüge von Büros und privaten Wohnungen zu organisieren, ist vielfach Trennungsgeld zu bezahlen, Dienstreisen und sonstigen Fahrtkostenerstattungen fallen im großen Stil an.
Die Räume für das Oberlandesgericht sind für viel Geld in Koblenz gerichtet worden. Und die Generalstaatsanwaltschaft hat erst vor wenigen Wochen im Koblenzer Neuen Justizzentrum einen Platz gefunden.
Ich erinnere mich an die überzeugenden Reden der Landesregierung über die Synergieeffekte, die genau mit diesem Einzug verbunden sind.
Das war am 4. Februar diesen Jahres, kurz vor der Landtagswahl. Das alles soll nun drei Monate später nicht mehr gelten?
Räume in Koblenz werden geleert, neue in Zweibrücken müssen geschaffen werden. Und das soll Geld sparen? Nein, das ist nicht plausibel.
Will man vermeiden, dass alles teurer wird, müssen Außenstellen bleiben, was aber im Text der Koalitionsvereinbarung nicht steht. Und der beschlossene Text ist maßgeblich, nicht öffentliche Beschwichtigungen, die Zurzeit nachgereicht werden.
Am Ende ginge es möglicherweise nur um die Präsidentenstelle und einige wenige Verwaltungsbedienstete? Es wäre dann wohl viel sachdienlicher gewesen, genau dies zu schreiben, bevor man apodiktisch erklärt: „Die Einrichtungen werden mit Sitz in Zweibrücken zusammen geführt.“
Es gibt zwei Sachverhalte, die mich an den hier behandelten Vorgängen bisher überhaupt nicht überzeugen konnten, um es diplomatisch zu formulieren:
Es wird in der Koalitionsvereinbarung behauptet, man verfolge einen Sparvorschlag, bleibt aber ohne Nachweis der Zielerreichung.
Wäre es da nicht richtiger gewesen, eine Prüfung dieses Vorhabens zu vereinbaren? Und nicht das – meines Erachtens falsche – Ergebnis einer Prüfung vorweg zu nehmen, bevor der Sachverhalt konkretisiert und mit Fakten geprüft ist?
Zumal genau dieser Weg an vielen anderen Stellen in der Koalitionsvereinbarung gewählt wird. Warum nur hier nicht? Warum diese eindeutige Vorentscheidung an genau dieser Stelle?
Mich irritiert freilich auch der Widerspruch zwischen der in der Koalitionsvereinbarung viel beschworenen Partizipationskultur und der hier praktizierten Durchsetzung dieses Vorhabens. In der Koalitionsvereinbarung lese ich an vielen Stellen von mehr Bürgerbeteiligung, vom Wahlrecht mit 16 Jahren bei Landtagswahlen.
Aber diese Strukturreform erfährt die staunende Justiz in Koblenz aus einem Fernsehinterview.
Der Oberbürgermeister der Stadt Koblenz übrigens auch.
Genau so geht es nicht.
Wie geht es dann?
Über diese Pläne muss mit den Betroffenen gesprochen werden. Zu den Betroffenen gehören nicht nur die Landesbediensteten, sondern die gesamte Justiz, auch die Rechtsanwälte und Notare und auch die Vertretung der Bürgerschaft.
Es muss zur Sache gesprochen werden und zwar ohne Vorentscheidungen.
Und dann kann entschieden werden. Und nicht umgekehrt.
Ich glaube an die Vernunft des Menschen, auch in der Politik.
Es wird jetzt viel protestiert werden in der nächsten Zeit. Das muss sein.
Irgendwann wird die Sachprüfung in Mainz nachgeholt. Vielleicht kommt dann heraus, dass man Fehler gemacht hat. Dann hoffe ich auf Einsicht.
Denn stark ist nicht der, der angeblich keine Fehler macht. Stark ist, wer Fehler erkennt, bekennt und aus ihnen lernt.
Darauf vertraue ich, darauf hoffe ich.
Bis dahin müssen wir gemeinsam protestieren. Überparteilich und strikt nur an der Sache orientiert. Ich vertraue darauf, dass wir dann auch gehört werden.
Liebe Betroffene: Ihr Koblenzer Oberbürgermeister steht an Ihrer Seite!

Comments are closed